Griechenlands Regierung hat die Löhne bei der Athener U-Bahn
festgelegt, Tarifverhandlungen gibt es nicht mehr. Ein Gespräch mit
Antonis Stamopoulos
Interview: Wolfgang Pomrehn
Antonis Stamopoulos ist Präsident der Metro-Gewerkschaft in Athen
Im Januar 2013 haben die Beschäftigten der Athener U-Bahn
gegen Lohnkürzungen und Entlassungen gestreikt, bis die Regierung den
Ausstand mit Zwangsverpflichtungen beendet hat. Wie haben sich die
Arbeitsbedingungen bei der Metro verändert?
Gleich zu Beginn der Krise gab es Entlassungen. Die gerade neu
ausgebildeten Arbeiter wurden vor die Tür gesetzt. Das waren 210 Leute,
und seitdem herrscht Personalmangel. Außerdem wurden unsere Gehälter
auf Anweisung der Regierung gekürzt, und das, obwohl wir nicht zum
öffentlichen Dienst gehören. Wir halten das für unzulässig und haben
dagegen geklagt. Die Sache ist noch immer vor Gericht anhängig. Im
Großen und Ganzen wurden unsere Gehälter um mehr als 50 Prozent
abgesenkt. Das Weihnachtsgeld wurde zum Beispiel gestrichen.
Was heißt das konkret? Wieviel verdient zum Beispiel ein
Zugführer?
Das Gehalt ist jetzt für alle gleich. Mit Schicht- und
Wochenendzuschlägen sind das für eine 40-Stunden-Woche monatlich
ungefähr 1180 Euro brutto, etwa 950 Euro netto. Außerdem gibt es ein
kleines betriebliches Kindergeld. Bei drei Kindern sind es rund 100
Euro. Schließlich kommen bei einem Teil der Beschäftigten noch
Überstundenzuschläge hinzu. In einigen Bereichen fallen durch den
Personalmangel viele Überstunden an, und die Arbeitsbelastung ist sehr
hoch.
Wir sind der Meinung, daß es gar nicht um finanzielle Probleme geht. Es wäre für die Metro günstiger, mehr Personal einzustellen, statt die vielen Überstunden zu bezahlen. Ein Beispiel: Unter den zu Beginn der Krise Entlassenen waren vier für die Reparatur der Fahrkartenautomaten zuständige Kollegen. Ihre Arbeit wird seitdem von einer Fremdfirma erledigt, was für das Unternehmen teurer ist, als wenn die vier weiter beschäftigt worden wären. Unser Ansicht nach deuten diese Entlassungen und die Fremdvergabe von Arbeiten darauf hin, daß die Privatisierung vorbereitet wird, das heißt, daß der Staat auch seine letzten Anteile an der Metro verkaufen will.
Wir sind der Meinung, daß es gar nicht um finanzielle Probleme geht. Es wäre für die Metro günstiger, mehr Personal einzustellen, statt die vielen Überstunden zu bezahlen. Ein Beispiel: Unter den zu Beginn der Krise Entlassenen waren vier für die Reparatur der Fahrkartenautomaten zuständige Kollegen. Ihre Arbeit wird seitdem von einer Fremdfirma erledigt, was für das Unternehmen teurer ist, als wenn die vier weiter beschäftigt worden wären. Unser Ansicht nach deuten diese Entlassungen und die Fremdvergabe von Arbeiten darauf hin, daß die Privatisierung vorbereitet wird, das heißt, daß der Staat auch seine letzten Anteile an der Metro verkaufen will.
Kann man von rund 1000 Euro in Athen leben?
Natürlich nicht. Glücklicherweise haben viele eine eigene Wohnung oder
leben noch bei den Eltern, oder haben ein Haus geerbt. Aber es gibt
natürlich auch jene, die zur Miete wohnen, und Athen ist eine sehr
teure Stadt. Eine Drei-Zimmer-Wohnung kostet mindestens 500 Euro im
Monat, ohne Heiz- und Nebenkosten.
Was bedeuten die gestiegenen Arbeitsbelastungen und die
Überstunden für jene, die bereits eine schwierige und
verantwortungsvolle Arbeit haben, wie zum Beispiel die Zugführer?
In den letzten Jahren hat unter den Metro-Angestellten die Zahl der
Herzprobleme, der Schlaganfälle und der Krebserkrankungen zugenommen.
Wir sind der Meinung, daß das durch den Streß kommt: Wir kommen mit
unserem Geld nicht mehr aus, müssen aber unsere Familien ernähren.
Einigen Leuten droht die Pfändung des Hauses oder der Wohnung, weil sie
ihre Kredite nicht mehr zahlen können. Dazu noch die Verantwortung für
die Fahrgäste. Außerdem ist durch die Starkstromleitungen und
Handyantennen die Strahlenbelastung in den Tunneln sehr hoch. Es gibt
Studien darüber, doch die werden unter Verschluß gehalten.
Wie sieht es mit den Rechten der Gewerkschaften aus?
Die Löhne- und Gehälter werden von der Regierung festgelegt.
Tarifverhandlungen mit den Unternehmen gibt es praktisch nicht mehr.
Das einzige in dieser Richtung ist noch ein Übereinkommen des
Dachverbandes mit der Regierung, in dem ein monatlicher Mindestlohn von
550 Euro festgelegt wird. Die Metroangestellten unterlagen außerdem bis
zum Sommer einer Zwangsverpflichtung, mit der seinerzeit unser Streik
Anfang 2013 gebrochen wurde. Aber wir werden weiter gegen
Ungerechtigkeiten kämpfen, wenn nötig auch streiken, selbst wenn sie
uns vor Gericht zerren.
Wie geht es weiter?
Wir sehen am Ende des Tunnels kein Licht. Die Arbeitslosenrate beträgt
mindestens 30 Prozent. Viele Läden schließen, weil die Menschen kein
Einkommen mehr haben. Wir haben Angst, daß die Gehälter weiter sinken.
Hier hungern Menschen, und wir haben das Gefühl, es gibt keine
Entwicklung. Nur die Selbstmordrate steigt. Wir möchten, daß in
Deutschland gesehen wird, was wir hier durchmachen.
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