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Sonntag, 19. Oktober 2014

Streikzeitung_19.10.2014

Das Zugpersonal steht zusammen!
Pressemitteilung - 18.10.2014
Zahlreiche Zugausfälle im Güter- und Personenverkehr und eine hohe Streikbeteili­gung unter den Lokomotivführern und Zugbegleitern zeigen eines sehr deutlich: Das Zugpersonal ist in hohem Maße solidarisch untereinander und steht in dieser Ausein­andersetzung fest zusammen. Der Versuch der Deutschen Bahn, die Beschäftigen durch das unablässige Werfen von Nebelkerzen zu spalten ist erneut kläglich geschei­tert.“
Mit diesen Worten kommentierte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky den derzeit laufenden Arbeitskampf bei der DB. Der Streik wird bis Montag, dem 20. Oktober 2014 um 4 Uhr dauern.
Rhetorische Luftnummern
Unter sturer Beibehaltung ihrer Taktik, der GDL die Schuld an den Streiks zuzuschus­tern, hatte die DB am Freitagnachmittag ein weiteres „Angebot“ vorgelegt. In dem da­zugehörigen Anschreiben (siehe Anlage) heißt es unter anderem: „Leider mussten wir feststellen, dass die GDL-Führung offenbar entschlossen ist, so lange streiken zu las­sen (…) bis die DB ohne Wenn und Aber zusätzlich auch Ihre Forderungen auf Aus­weitung des Organisationsbereichs der GDL akzeptiert. Dazu wird es jedoch nicht kommen, weil wir (…) bestimmte Grundpositionen nicht aufgeben (…).“
Mit diesen Worten entlarvt die DB ihre öffentlichen Bekundungen zur Gesprächsbe­reitschaft als das was sie sind“, so Weselsky, „rhetorische Luft-nummern ohne jede be­lastbare Substanz. Der Arbeitgeber hält auch weiterhin auf Kosten der Beschäftigten und der Fahrgäste daran fest, Verhandlungen unter Vorbedingungen zu führen von de­nen er genau weiß, dass sie unannehmbar für uns sind.“
Doch die Mitarbeiter haben mehr verdient, als mit faulen Tricks vorgeführt und abge­speist zu werden. Die GDL wird nicht eher ruhen, bis der Arbeitgeber die Forderungen des Zugpersonals endlich ernst nimmt und verhandelbare Angebote vorlegt. Weselsky: „Unabhängig vom Arbeitskampf sind wir jederzeit zu Hintergrundgesprächen bereit.“
[ http://www.gdl.de/Aktuell-2014/Pressemitteilung-1413632817 ]


Sofa-Streik der GDL?
Wo man bei einem 50 stündigen Streik bei der Bahn davon ausgehen könnte, dass sich die Streikenden dem Bahnvorstand kampflustig entgegenstellen, die Bahnhöfe und Öffentlichkeit für sich erobern, ist jedoch tatsächlich kaum ein streikender Lokfüh­rer oder gar Zugbegleiter in und vor den Bahnhöfen der DB zu sehen.
Die Medienschlacht in diesem Tarifkonflikt zwischen GDL und Deutsche Bahn findet of­fensichtlich nur in den Medien statt. Die DB schickte ihre Presseabteilung jeden Tag vor die Mikrophone & Kameras und in die Presseagenturen. Die stärkste Waffe der GDL jedoch, deren Mitglieder, werden derweil nach Hause aufs Sofa geschickt. Eine starke und kämpferische Gewerkschaft sieht anders aus!

Deutsche Bahn macht der GDL neues Angebot zu alten Konditionen

"Die DB erklärt sich weiterhin bereit, über die Forderungen der GDL für weitere Arbeitnehmergruppen wie z.B. Zugbegleiter Sondierungsgespräche zu führen. Die DB kündigt der GDL einen Vorschlag über Regelungen zu materiellen Inhalten und zur gleichzeitigen Vermeidung konkurrierender Tarifverträge an.
Erhöhung der Entgelte für Lokomotivführer in drei Stufen um insgesamt 5 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten: 2,1 Prozent zum 1. Dezember 2014, weitere 1,5 Prozent zum 1. Juli 2015 und 1,4 Prozent zum 1. Juli 2016.
Zahlung eines Einmalbetrages von rd. 325 Euro für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2014.
Einstellung von 200 zusätzlichen Lokomotivführern im Jahr 2015 zum Abbau von Mehrarbeit.
Ausbau der laufenden Maßnahmen zur Verbesserung der individuellen Schichtpla­nung, z. B. die Stärkung der Betrieblichen Arbeitszeitprojekte, insbesondere mit dem Ziel, die Vereinbarung von Beruf und Familie zu verbessern.
Das Angebot umfasst keinen Vorschlag zur Erweiterung des Beschäftigungsschutzes für Lokomotivführer, weil sie insoweit keine Tarifforderungen erhoben haben.“

Gesprächsangebot an die GDL

DB
Wir fordern sie auf, den heutigen ausgerufenen Streik zu unterlassen und mit uns am Sonntag, dem 19.10.2014, Tarifverhandlungen – ganztags in Berlin oder Frankfurt am Main – zu führen.“
GDL
Das Angebot ist nicht geeignet in Verhandlungen einzusteigen.“
...
Wir sind dennoch gerne bereit, den ganzen Sonntag, also den 19.Oktober 2014, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, um nach Lösungen zu suchen.“
Wir sind jedoch nicht bereit, in Tarifverhandlungen einzutreten. Diese sind am 25. September 2014 gescheitert.

Wann und ob es zu weiteren Gesprächen kommt wird sich noch zeigen müssen. Wenn es den großen Führern der GDL und DB nicht gelingen sollte gleichberechtigte Gespräche zu führen, wird jede weitere Streikmaßnahme wohl allein der Engstirnigkeit einzelner Manager und Funktionäre dienen. Denn Reden sollte man immer, auch wenn es aussichtslos scheint. Denn streiken will kaum ein Zugpersonal der GDL, wenn es vernünftige Arbeitsbedienungen und eine gerechtes Entgelt zu erwarten hat.


Stoppt diesen Mann!

Claus Weselsky ist Chef der Lokführer-Gewerkschaft. Das ist ihm zu wenig. Nur des­halb legt er Deutschland lahm. Ein Wutausbruch.
Donnerwetter, das hat bisher noch niemand gewagt: 50 Stunden Dauerstreik bei der Deut­schen Bahn, 61 Stunden, wenn man den Güterverkehr mit einrechnet. Und das ausgerechnet an einem Wochenende, an dem in sieben Bundesländern die Herbstferien beginnen und sich auf den Autobahnen sowieso schon der Verkehr staut. Die zwölf Stunden Arbeitskampf am Mittwoch waren schon eine Zumutung für die Pendler. Allerdings konnte man da noch getrost einwenden: Ein Streik ohne Zumutungen ist nur ein Betriebsausflug.
Aber das hier? Das ist der Wendepunkt in der turbulenten Tarifauseinandersetzung zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn. Denn jetzt haben es die Lokführer übertrieben – und das gilt nicht nur, weil nun zur Abwechslung auch mal die Sonderzüge zu den Fußballspielen der Bundesliga dem Arbeitskampf zum Opfer fielen, mit Ausnahme des Zuges, der die Hertha BSC Berlin-Fans transportiert. Hertha wird von der Bahn gesponsert. Denn noch nie hat es einen so langen und so tiefgreifenden Arbeitskampf gegeben, um Mini­malziele durchzusetzen: fünf Prozent mehr Gehalt und zwei Stunden weniger Arbeit. In Wahr­heit geht es aber um etwas ganz anderes: den ungezügelten Machtanspruch einer kleinen Spartengewerkschaft.
Diesen Plan treibt vor allen ein Mann voran: Claus Weselsky, ein Gewerkschafter, den ein paar Millionen unzufriedener Kunden nicht aus der Ruhe bringen können. Und den nun offen­sichtlich das Gefühl für das rechte Maß endgültig verlassen hat.
Schon klar, die GDL besteht nicht aus Claus Weselsky allein. 16.000 Mitglieder hat die Ge­werkschaft befragt, mehr als 91 Prozent von ihnen haben in einer Urabstimmung für Streik gestimmt. Ein Traumergebnis.
Aber wann, wo und wie lange gestreikt wird, ist keine basisdemokratische Entscheidung. Das wird von der Streikleitung möglichst kurzfristig festgelegt, sonst verliert der Arbeitskampf an Reiz. Und die Mitglieder haben zu folgen. Bisher scheinen sie dies auch noch bereitwillig zu tun. Endlich mal einer, der einem mächtigen Konzern wie der Deutschen Bahn die Meinung geigt.
Leider geigen sie nicht vor der Konzernzentrale, sondern belästigen auch noch Millionen von Reisenden an einem der verkehrsreichsten Wochenenden des Jahres. Selbst das ließe sich vielleicht noch rechtfertigen, wenn es um handfeste Forderungen ginge: Arbeitszeit, Vergü­tung, all das, wofür Gewerkschaften schon seit Jahrzehnten mit Leidenschaft streiken, durch­aus auch kompromisslos. Darum geht es vordergründig natürlich auch, Weselsky ist schließ­lich kein Anfänger. Irgendwelche Forderungen muss man schließlich auf die Streikwesten drucken.
Die Fehde zweier Gewerkschaften
Der Kern der Auseinandersetzung ist jedoch ein ganz anderer: die alte Fehde mit den Erzri­valen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Genau das ist jedoch der Teil, der den Reisenden herzlich egal ist: Streiken für mehr Lohn und weniger Arbeit, das kann je­der verstehen. Aber ein Arbeitskampf darüber, welche Gewerkschaft in einem Betrieb für das Zugpersonal zuständig sein darf, das klingt in ihren Ohren wie die Wehklage eines verwöhn­ten Rotzlöffels, der darauf besteht, auch mal Anführer zu sein.
Es ist erstaunlich, dass sich die Lokführer auf dieses Spiel einlassen. Denn Weselsky ist ge­rade dabei, seine eigene Klientel durch den Dreck zu ziehen. Für die Erschließung neuer Kompetenzfelder lässt er es zu, dass ganz Deutschland aufschreit: Stoppt die Lokführer! Dabei geht es hier gar nicht um die Lokführer. Die werden von der GDL bestens und uneingeschränkt vertreten, selbst wenn sie bei der Konkurrenz organisiert sind. Das sichert ein Grundlagenvertrag aus dem Jahr 2008.
Doch das sind Erfolge aus der Vergangenheit, die längst abgefeiert sind. Jetzt geht es darum, das Machtzentrum auf das restliche Bordpersonal zu erweitern. Koste es, was es wolle.
Doch der Kampf um die Macht ist zugleich ein Spiel mit dem Feu­er. Denn in Berlin lau­ert eine viel größere Gefahr: der Gesetzge­ber. Bundesarbeitsmi­nisterin Andrea Nah­les, der mächtigen IG Metall schon seit lan­gen Jahren eng ver­bunden, arbeitet mit Akribie an einem Ge­setz, mit dem sie in Zukunft solche Macht­spielchen verhindern will. Es soll die „Tari­feinheit“ in deutschen Betrieben herstellen, wie sie früher in Deutschland über Jahrzehnte üblich war. Pro Betrieb soll es nur einen Tarifvertrag geben. Das hat die Gewerkschaften groß gemacht. Sie mussten sich nicht um lästige Konkurrenz sorgen, die – wie im Streit zwischen GDL und EVG – vor allen Dingen Zeit und Energie raubt. Ohne Wettbewerb konnten sich Verdi & Co. auf den eigentlichen Feind konzentrieren: die Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht hatte mit diesem Grundsatz für Ordnung gesorgt. Das Problem war nur: Diese kreative Rechtsprechung ohne gesetzliches Fundament stand leider nicht im Einklang mit der Verfassung. Schließlich wurde damit gegen einen wichtigen Grundsatz unserer Verfassung verstoßen: die Koalitionsfreiheit. Sie liefert nicht nur die Existenzberechtigung für die großen Einheitsgewerkschaften, sondern für jede Arbeiterorganisation. Sie hat jedoch nur dann ihren Sinn, wenn diese auch Tarifverhandlungen führen und für ihre Forderungen streiken dürfen. Seitdem das Bundesarbeitsgericht 2010 diesen Grundsatz kippte, wünschen sich Arbeitgeber und die großen Gewerkschaften nichts sehnlicher, als diese Harmonie wieder herbeizuführen, allen verfassungsrechtlichen Bedenken zum Trotz.
Das alles kümmerte Bahnkunden bisher herzlich wenig. Man muss schon dem Lager der Ta­rifparteien eng verbunden sein, um bei dem Schlagwort der „Tarifeinheit“ in Wallungen zu gera­ten. Weselsky könnte nun das Kunststück gelingen, diesen hochumstrittenen Gesetzesentwurf wi­der willen Millionen von Bahnreisenden schmackhaft zu machen. Was wäre schließlich in ihren Augen verloren, wenn sich künftig nur noch die EVG um das Bahnpersonal kümmert? Wozu braucht man in diesen Zeiten eine Luxusausstattung von zwei zankenden Ge­werkschaften? Bei dieser Gelegenheit ließe sich auch gleich das Streikrecht regeln, das der Gesetzgeber aus lauter Angst vor den mächtigen Arbeiterorganisationen lieber dem Bundes­arbeitsgericht überlassen hat, als selbst beherzt klare Linien einzuziehen.
Das ganze Ausmaß des Dilemmas demonstriert Weselsky an diesem Chaoswochenende ge­radezu vorbildlich: Auf einmal liegt die Freizeitplanung der Deutschen in der Hand eines mächtigen Gewerkschafters, dem die eigenen Leute bedingungslos folgen. Ohne Rücksicht darauf, ob es ihnen tatsächlich langfristig nützt. Und das absurde ist: Eine Weile könnte es so weitergehen, solange die Streikkasse noch etwas hergibt. Berlin wird Weselsky jedenfalls nicht so schnell stoppen. Bis das Gesetz in Kraft tritt, werden wohl noch Monate vergehen. Sinnvoller wäre es, wenn die Lokführer selbst erkennen würden, wann der Rubikon überschritten ist. Nämlich genau jetzt.

[ http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bahnstreik-gdl-chef-claus-weselsky-stoppt-diesen-mann-13216770-p2.html ]

1 Kommentar:

  1. Ihr solltet mal bei http://www.indemore-gdl.de/ nachlesen wie die wirkliche Stimmung zum Streik ist. Hier wird nicht mit Zahlen gespielt sondern die Fakten vor Ort werden sehr treffend wieder gegeben. Hätte die Bahn keinen Notfahrplan in Kraft gesetzt sondern wirklich nur die Züge "eingesammelt" welche bestreikt wurden, es wären mindestens 75 % der Züge gefahren. Und zur Aussage von Weselsky das die Mitglieder wie eine Eins hinter uns stehen ... stellt sich mir die Frage warum immer mehr Lokführer der GDL den Rücken zukehren und austreten ... Seltsamerweise die Zugbegleiter treten immer noch ein. Kommt der Zeitpunkt wo eine Umbenennung der Gewerkschaft ansteht ....

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