Was
zunächst mit der Tarifauseinandersetzung im Jahr 2007 zwischen der
GDL und der Deutschen Bahn AG und EVG öffentlich aufflammte, eine
festgeschriebene Tarifeinheit bei der Bahn, wurde dann im Jahr 2008
bei der Deutschen Bahn zu ihrer “Befriedung“ in Form eines
Grundlagentarifvertrages zwischen GDL, EVG und Deutsche Bahn AG
umgesetzt. Dieser künstlich befristete Frieden ist nun am 30.06.2014
ausgelaufen.
Die
GDL beanspruchte bis dahin für sich über alle Lokführer bei der
Deutschen Bahn AG, egal welcher Gewerkschaft sie angehören, die
Tarifmacht auszuüben. So wie die EVG für sich bis dato
beanspruchte, alle anderen Beschäftigten bei der Bahn, egal welcher
Gewerkschaft, ihre Tarifverträge aufzwingen zu dürfen. Unter
Billigung des Managements der Deutschen Bahn wurde für 6 Jahre das
Kriegsbeil zwischen den Gewerkschaftseliten und ihren Machtansprüchen
über die Gewerkschaftsmitglieder und Beschäftigten der Bahn
begraben.
Nun
geht die Auseinandersetzung um Macht und Einfluss, die im Jahr 2008
auf das Jahr 2014 vertagt wurde, in ihre Fortsetzung. Denn das
eigentliche Problem, dass die Gewerkschaften GDL und EVG bei der
Deutschen Bahn um ihre gewerkschaftspolitische Macht kämpfen, statt
um die Verbesserungen und Erleichterungen der Arbeit für die
Beschäftigten, wurde mit der zeitlich befristeten Befriedung der
Deutschen Bahn nicht gelöst.
Die
GDL Verhandlungsführer versuchen nunmehr ihre
gewerkschaftspolitische Macht bei der Deutschen Bahn damit
auszuweiten, indem sie nun das gesamte Zugpersonal (Lokführer,
Zugbegleiter und Gastropersonal) vertreten will. Egal welcher
Gewerkschaft sie angehören. So wie es nun auch die EVG scheinbar mit
den Lokführern vor hat und damit grundsätzlich alle Beschäftigten
bei der Deutschen Bahn unter ihren tarifpolitischen Einfluss bringen
will.
Eine
tarifvertragliche Freiheit für die Beschäftigten wollen die EVG und
auch die GDL damit nicht herstellen. Sie wollen gleich ganze
Berufsgruppen für sich annektieren. EVG und GDL beanspruchen ein
tarifpolitisches Territorium für sich, ohne die dort Beschäftigten
selber zuvor gefragt zu haben. Ein gewerkschaftspolitischer
Angriffskrieg beider Gewerkschaften auf dem Territorium der Deutschen
Bahn AG. Und die Gewerkschaftsmitglieder der EVG und GDL sollen dann
an der Streikfront um den Einfluss und die Macht ihrer Fürsten
kämpfen.
Wenn
die EVG- und GDL-Eliten mit Streiks und den damit verbundenen
Lohnverlusten ihrer Mitglieder dann ggf. ihren Einfluss unter
Billigung des Bahnmanagements erweitert haben, wird vielleicht auch
noch über einen bunten Lutscher für die Gewerkschaftsmitglieder mit
dem Management der Deutschen Bahn geredet. Bis dahin werden die
vielleicht auch berechtigten Forderungen nur benutzt, damit wir an
die Streikfront für eine Tarifdiktatur der EVG bzw. GDL treten. Dem
Management der Bahn wird es egal sein welche Gewerkschaft welche
Berufsgruppe tarifiert, Hauptsache in enger Einheit mit den
Zielen der Deutschen Bahn. Dabei kommt es auch nicht auf 5 oder 6%
mehr Lohn an.
Doch
ein Streik, eine Tarifauseinandersetzung, oder gar eine
tarifpolitische Annexionspolitik die in ihrer Entstehung nicht bei
den Gewerkschaftsmitgliedern und Beschäftigten verwurzelt ist, wird
in ihrem Ergebnis wohl auch keinen Sieg für die betroffenen Kollegen
erlangen. Gerade wo es allein die Apparate der EVG bzw. GDL sind die
bestimmen wann, wo und wie lange gestreikt wird, ohne dass die davon
betroffenen Gewerkschaftsmitglieder selber dabei ein Wort mitreden
dürfen. Allein dieses Vorgehen ist ein diktatorischer Akt von
Selbstherrlichkeit in den Räumlichkeiten der
Gewerkschaftsfunktionäre, zumindest aber deren Billigung.
Keine
Gewerkschaft kann als solche lange ohne den Willen oder gar den
Beiträgen seiner Mitglieder bestehen. Wenn die Mitglieder in ihrer
Gewerkschaft nicht wirklich mehr etwas zu sagen haben, sondern sie
nur ihren großen Führern folgen sollen, kann diese Tarifdiktatur
durch die Gewerkschaften gegenüber den Beschäftigten nicht
hingenommen werden. Die gleiche Tarifdiktatur die wiederum diesen
Gewerkschaften weiterhin per Gesetz droht. Denn die Bundesregierung
wird sich freuen, wenn sie in der laufenden Auseinandersetzung einen
neuen Grund bekommt die Tarifeinheit zu beschließen.
Eine
Tariffreiheit für alle!
Wo
sich nun die Gewerkschaftsapparate von EVG und GDL unter Beteiligung
der Deutschen Bahn AG um Macht und Einfluss bei den verschiedenen
Berufsgruppen und über uns Beschäftigte streiten, sollten wir uns
als davon direkt oder indirekt betroffene Gewerkschafter darüber
einige werden, wie wir gemeinsam dieser Diktatur der Gewerkschaften
über uns Beschäftigte eine Absage erklären.
Eine
freie Wahl, welcher Tarifvertrag für uns als Beschäftigte gelten
soll, ist wohl bei vielen von uns noch genauso utopisch wie sie von
der Gegenseite als unmöglich dargestellt wird. Dabei ist genau diese
freie Wahl des Tarifvertrages die Tarifpluralität die nicht nur
allein den Gewerkschaftsbossen zugesteht sich ihre Berufsgruppen
auszusuchen für die sie ihre Tarifpolitik machen dürfen.
Leistungsfähige
IT Systeme geben es heute schon her jedem Beschäftigten die
entsprechenden Regelungen und Löhne aus seinem Wunschtarifvertrag
zukommen zu lassen. Ob als Gesamtpaket oder aus einem Bündel von
Leistungen der einen wie auch der anderen Gewerkschaft. Gerade wo die
GDL- und EVG-Führungen mit ihrer Forderung nach einem fairen
Wettbewerb die Liberalisierung unserer Arbeitsbedingungen durch die
Politiker und Manager befürworten, sollten sie sich dem doch jetzt
nicht etwa entziehen wollen. Zumal die Gewinnbeteiligung die wir als
Beschäftigte von der Bahn einfordern von uns selber zuvor mit
unserer tagtäglichen Arbeit erwirtschaftet wurde.
Die
derzeitige Spaltung von uns Beschäftigten und
Gewerkschaftsmitgliedern entsteht doch nur zu oft durch die blinden
und teilweise menschenverachtenden Hetze aus den Gewerkschaftsbüros
unter uns. Obwohl unsere Situation vor Ort in der realen Arbeitswelt
in keiner Wiese unterschiedlich ist. Da sind sich die Manager der
Deutschen Bahn bereits über alle Geschäfts- und Betriebsbereiche
hinweg einig. Gerade wenn es um Arbeitsverdichtung, Arbeitsplatzabbau
und Lohnverzicht geht.
Ginge
es heute und auch zukünftig in unseren Gewerkschaften nur um die
Umsetzung und Verteidigung unsere Forderungen und Interessen, wären
wir uns als Beschäftigte wohl sehr schnell einig darüber, was
wir fordern und vom Management umgesetzt sehen wollen. Egal in
welchem Bereich der Bahn wir arbeiten. Ein Streik wäre bei dieser
übergreifenden Einigkeit unter uns Beschäftigten wohl überflüssiger
denn je, wenn das Management erkennt welcher Gegenmacht es sich
ausgesetzt sieht.
Selbstbestimmung
statt Hörigkeit
Ohne
Diskussionen in unseren Gewerkschaften über die Inhalte, Strategien
und Forderungen zur Umsetzung unserer Interessen überlassen wir den
Strategen in den Gewerkschaftsbüros auch die Entscheidung über
unsere Zukunft bei der Bahn. Dabei leidet auch der gewerkschaftliche
Gedanke der Gemeinschaft unter uns Beschäftigten, wenn wir
keine Zukunft mehr in unseren Gewerkschaften sehen.
Auch
ein ständiges hin und her in den letzten Arbeitskämpfen und Streiks
verunsicherte nicht nur die Reisenden zusätzlich, sondern auch uns
Gewerkschaftsmitglieder. Es sollte nur einmal der Schalter in den
Streikmodus umgelegt werden und das Aussetzen des Streiks nur von den
Zugeständnissen der Gegenseite abhängig gemacht werden. So sollten
wir jetzt auch übergreifend und gemeinsam darüber reden und
diskutieren wie wir unsere Forderungen gemeinsam umsetzen können!
Welche
Gewerkschaft letztendlich unsere tatsächlichen Forderungen und
Interessen als Beschäftigte bei der Deutschen Bahn tarifiert, sollte
uns dann egal sein wenn unsere Forderungen erfüllt wurden. Denn
wer sie nicht erkennt und bereit ist sie gemeinsam mit uns
umzusetzen, mit unserer Entscheidung über einen Streik, sollte auch
keine Tarifhoheit über uns erlangen. Letztendlich müssen wir unter
den Ergebnissen dieser Tarifverträge dann arbeiten, leben und noch
zu oft leiden.
So sollten wir keine
Tarifdiktatur durch unsere Gewerkschaftseliten und auch keine durch
die Bundesregierung zulassen. Freiheit bedeutet auch
Tariffreiheit für uns alle als Beschäftigte! Auch für die
Umsetzung unserer Forderungen sollten wir nun endlich gemeinsam
kämpfen. Egal welcher Gewerkschaft und Berufsgruppe wir angehören,
es geht um unser aller Zukunft als Beschäftigte bei der Bahn.
Kämpfen
wir gemeinsam für unsere Tariffreiheit!