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08.042014
- www.indemore-gdl.de ]
GDL-Tarifabschluss: Welch
kläglicher Überrest!
Bereits
zu Beginn des Jahres hatte InDemoRe-GDL den seinerzeitigen Stand der
Tarifverhandlungen zu einem von der GDL-Basis geforderten
„Zukunft-Tarifvertrag“ einer kritischen Bewertung
unterzogen. Wir kamen dabei unter anderem zu dem Ergebnis, dass
die wesentlichen, in Form basisorientierter Beschlüsse der
letzten GDL-Generalversammlungen erhobenen tarifpolitischen
Forderungen durch die GDL-Führung weitgehend fallengelassen worden
waren. Und das nachweislich ohne demokratische
Legitimation. Ein Rundschreiben des GDL-Bundesvorsitzenden an
die GDL-Amtsinhaber/innen vom 24.03.2014, in dem die vereinbarten
Inhalte des neuen Tarifvertrages skizziert sind, zeigt nun in krasser
Weise, dass die von InDemoRe-GDL vorgenommenen Einschätzungen
realistisch waren und die damit eingehenden Befürchtungen
weitgehend eingetreten sind. Nicht nur, dass das „Erreichte“
auf kaum einen Prozent aller im DB-Konzern beschäftigten
Lokomotivführer anwendbar sein wird, selbst diese von traumatischen
Ereignissen belasteten Kolleginnen und Kollegen werden sich des
Eindrucks kaum erwehren können, dass dieser Tarifvertrag im Grunde
genommen auf das freiwillige Verlassen des Konzerns abzielt.
Kritik
würdig ist nicht nur der magere wie unverbindliche Inhalt dieses
„Tarifvertrages über besondere Bedingungen bei Verlust der
Fahrdiensttauglichkeit“, sondern vielmehr jene fehlenden
Inhalte, über die zum Zeitpunkt des eigenmächtigen Abbruchs der
Tarifverhandlungen durch den GDL-Bundesvorsitzenden Weselsky im
März 2012 bereits Einvernehmen mit dem Arbeitgeber bestand.
Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Positionen:
Kündigungs-
und Einkommensschutz bei beruflich bedingter Unfähigkeit, die
bisherige berufliche Tätigkeit auszuüben, so bei Verlust der
persönlichen Eignung durch Eisenbahnunfälle, bei Verlust der
persönlichen Eignung durch traumatische Ereignisse und bei
Verlust der persönlichen Eignung als Folge einer Krankheit in
Verbindung mit der beruflichen Belastung. Der Schutz setzt auf
dem Niveau des § 61 Abs. 2 LfTV auf. Gegenüber den bisherigen
Regelungen ist eine verbesserte regionale Ausprägung des Schutzes
vorgesehen.
Kündigungs-
und Einkommensschutz bei einer aus anderen, als beruflichen
Ursachen herrührender Unfähigkeit, die bisherige
berufliche Tätigkeit auszuüben, so bei Verlust der persönlichen
Eignung durch Freizeitunfälle, bei Verlust der persönlichen
Eignung durch Krankheiten, die nicht in Verbindung mit der
beruflichen Belastung stehen. Dieser Schutz wird gegebenenfalls
in abgestufter Form beschrieben.
Unternehmensübergreifende
Bestandssicherung im SPNV für den Fall, dass
Betreiberwechseltarifvertrag nicht greift, beispielsweise
wenn Konzept des neuen Betreibers (neues Fahrzeugkonzept) oder
des Aufgabenträgers (Taktausdünnung) weniger Personal
vorsieht und dadurch mehr Bewerber als Arbeitsplätze beim neuen
Betreiber entstehen.
Beschäftigungssicherung
im Falle von Rationalisierung und Regelungen für die Bewältigung
von Konjunkturschwankungen, einschließlich Regelung zur
betrieblichen Arbeitszeitabsenkung (eBV).
Regelungen
zu lebensphasenorientierter Berufsentwicklung einschließlich
alters- und/oder gesundheitsbedingter Ausstiegsoption, sowie
Regelungen zu abnehmender Arbeitsbelastung bei steigendem
Alter, in Verbindung mit Regelungen zum gleitenden Übergang
vom Berufsleben in den Ruhestand (z.B. Teilzeit im Alter).
Regelungen
zu Elternzeit und Pflegezeit (pflegebedürftige Familienangehörige).
Regelungen
zu Qualifizierungsfragen, die über die Regelungen des Teil E LfTV
hinausgehen, so unter anderem konkrete
Qualifizierungsansprüche im Falle von
Fahrdienstuntauglichkeit oder Qualifizierungsansprüche zur
beruflichen Veränderung (Karriereentwicklung).
Weiterentwicklung
von Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung, die sich an
Arbeitsmedizin und Prävention orientieren, einschließlich
der Förderung persönlicher Präventionsmaßnahmen (z.B.
Gesundheitsprogramme) und Maßnahmen, die den Erhalt der
Beschäftigungsfähigkeit fördern
Grundsätze
für den künftigen Umfang und die Gestaltung der Berufsausbildung
zur Unterstützung einer bedarfsgerechten Personalpolitik.
Regelungen zur Gewinnung und Ausbildung von Lokomotivführern
(Ausbildungsoffensive).
Grundsätze
zur Förderung der betrieblichen Transparenz über
Arbeitsplatzbedarf und Bestandsentwicklung, im Besonderen Regelungen
zur Nachvollziehbarkeit der Personalbedarfsplanung und
Personalentwicklungsplanung.
Neuausrichtung
der Abfindungsvoraussetzung und stärkere Berücksichtigung der
Mobilitätsförderung (Neugestaltung von Bedingungen zum
freiwilligen Ausscheiden bei der DB mit garantierter
Abfindungszahlung).
Um
an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: Es handelt sich
bei vorgenannten Punkten nicht um den derzeit aktuellen
Tarifabschluss der GDL oder etwa um Inhalte aus dem DemografieTV
der EVG. Es handelt sich explizit um Auszüge aus einem Vortrag zur
Betriebsrätekonferenz im März 2012 zur Darstellung des damaligen
Verhandlungsstandes mit der DB zum ZukunftTV. Ein Verhandlungsstand,
der verbindlich einherging mit den Forderungen der GDL-Basis,
wie einige nachstehende Auszüge aus Veröffentlichungen der GDL
aufzeigen:
VORAUS-Artikel,
Ausgabe 10/2011
(…)
„Im ZukunftTV werden die Eckpunkte für alle wesentlichen sozialen
Aspekte des gesamten Berufslebens im DB-Konzern geregelt.
Bereits beim Übergang von der Schule in den Beruf steht die
Gewinnung künftiger Fachkräfte im Vordergrund. Im weiteren Verlauf
des Arbeitslebens sollen Familie und Beruf sowie altersgerechtes
Arbeiten viel stärker in den Vordergrund gerückt werden. Beim
Übergang in die Rente sollen Altersteilzeitregelungen
geschaffen werden. Diese sollen so ausgerichtet werden, dass die
Kompetenz und die Erfahrungen älterer Arbeitnehmer so
umfangreich wie möglich weitergegeben werden können. Der ZukunftTV
wird auch die Grundlagen der längst überfälligen
konzerneinheitlichen Bewertung des Arbeitsplatzbedarfs
legen. Damit wird die Personalplanung im DB-Konzern endlich auf
ein einheitliches und der betrieblichen Realität entsprechendes
Niveau gebracht.
Der
ZukunftTV wird außerdem den Schutz bei Rationalisierungsmaßnahmen,
Konjunkturschwankungen und bei gesundheitlichen
Beeinträchtigungen regeln.“ (…)
GDL-Aushang
Fakten vom 24.07.2013
(…)
„Jetzt kommt Bewegung in die Sache. Die GDL forderte:
einen
dauerhaft und regional ausgeprägten Schutz im LfTV bei
Arbeitsunfällen/Fahrdienstuntauglichkeit/Rationalisierung, den
dauerhaften Erhalt der Schutzmechanismen durch den LfTV und den
ZukunftTV, eine stärkere regionale und örtliche Ausprägung der
Arbeitsplatzangebote in den Transportbereichen, eine
realistische Personalplanung mit dem Ziel, die Dauerbelastung zu
senken, die Leistungsverteilung auf der Grundlage einer
realistischen Bedarfsdeckung, das Beenden der „Landverschickung“
durch Akzeptanz und Wertschätzung der Lokomotivführer und eine
Altersteilzeit unter Berücksichtigung der speziellen
Erfordernisse des Fahrdienstes.
Es
wurde somit ein Fahrplan vereinbart, der ein ernsthaftes Interesse
des Arbeitgebers an einer Einigung erkennen lässt.“ (…)
VORAUS-Ausgabe
10/2013 Editorial
(…)
„Und da ist da noch die unendliche Geschichte mit dem ZukunftTV.
Seit April 2011 verhandeln wir über ein Werk, das aus Sicht der
Arbeitgeber und der EVG die Landverschickung nach dem ehemaligen
BeSiTV einfach nur fortsetzen soll. Wir hingegen stellen darauf ab,
in einer Zeit mit Ausschreibungswettbewerben im Regionalverkehr und
Milliardengewinnen im DB Konzern neue Instrumente zu schaffen,
um die verfehlte Personalpolitik des Konzerns in rechte
Gleis zu bringen.“ (…)
Nun
zu den Fakten der am 20. März 2014 vereinbarten Vertragsinhalte:
Lokomotivführer,
die in Folge traumatischer Ereignisse ihren Beruf nicht mehr
ausüben können, erhalten eine berufslebenslange
Entgeltsicherung in Höhe von 100 Prozent des ehemaligen
Tabellenentgelts.
Lokführer,
die in Folge von Traumatisierung, Arbeits- oder Freizeitunfällen
dauerhaft ihre Eignung verlieren, erhalten ein Wahlrecht zwischen
der berufslebenslangen DB-Beschäftigungssicherung und einer
Abfindung.
Es
werden Abfindungen für unterschiedliche Gruppen
fahrdienstuntauglicher Lokführer eingeführt.
Der
bereits bestehende Vorrang für ortsnahe Vermittlung auf einen
DB-Arbeitsplatz wird für Lokomotivführer, deren
Fahrdienstuntauglichkeit zum Beispiel auf Traumatisierung
oder Arbeitsunfall beruht, weiter ausgebaut.
Zweifellos
stellt eine berufslebenslange Absicherung des Tabellenentgelts für
Lokomotivführer, die aufgrund traumatischer Ereignisse ihren
Beruf nicht mehr ausüben können, an sich eine gute Sache dar. Doch
kommt bereits an dieser Stelle die erste Untiefe des Tarifvertrages
zum Vorschein, denn besagte Regelung setzt einen dauerhaften Verbleib
im DB Konzern und spätestens nach 24 Monaten die Annahme eines
zumutbaren Arbeitsplatzes voraus. Üblicherweise wurden
derartige Offerten der Arbeitgeberseite von der GDL bislang mit dem
Vorbehalt „Jeder Arbeitsplatz kann zumutbar gemacht werden“
abgewiesen. Im vorliegenden Vertragswerk hat sich die GDL
jedoch aus unerklärlichen Gründen dazu bereit erklärt,
eine solch unverbindliche Regelung auch noch zu tarifieren.
Auch
das Recht, mittels einer im Vorwege feststehenden Abfindungssumme den
DB Konzern verlassen zu können, könnte im Grunde akzeptiert
werden. Doch sollte jedem klar sein, dass Abfindungen voll versteuert
werden müssen, im Regelfall eine Sperr- und Ruhezeit beim sich
anschließenden Arbeitslosengeld nach sich ziehen und Vergünstigungen
wie etwa Fahrvergünstigungen auszugleichen ist.
Emotional
hochgekocht wurde durch die GDL in den zurückliegenden Monaten das
ultimative Thema „Landverschickung“, ein Ansinnen der
Arbeitgeberseite, welches auf gar keinen Fall akzeptiert werden
könne. Nun kann wohl kaum die Rede davon sein, dass durch einen
diesbezüglichen Schutz von 10 Monaten bei allgemeiner, bzw. 24
Monaten bei beruflich bedingter Fahrdienstuntauglichkeit
das Thema „Landverschickung“ auch nur ansatzweise gelöst
worden ist. Fakt ist aber immerhin, dass die bereits 2012
ausgehandelten, angeblich so gravierend schlechten und
arbeitgeberseitig später im DemografieTV mit der EVG vereinbarten
Bestimmungen zur Beschäftigungssicherung aufgrund gesundheitlicher
dauerhafter Leistungseinschränkungen (Fahrdienstuntauglichkeit)
nun auch für Lokomotivführer zur Anwendung kommen werden.
Tariftechnisch gesehen wurden dazu die Phasen zur
Beschäftigungssicherung aus dem DemografieTV lediglich zeitlich
etwas modifiziert Zwischen der ersten Phase nach Feststellung
dauerhafter Fahrdienstuntauglichkeit, der „Betriebsspezifischen
Phase“, in der das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)
abläuft und der „Orientierungsphase I“, in der erstmalig
ein Arbeitsvertrag zur beruflichen Neuorientierung zur Anwendung
kommt, wurden eine einmonatige Entscheidungsphase, in der sich
der Betroffene zum Verlassen des DB-Konzerns per Abfindung
entscheiden kann, sowie eine fünfmonatige Übergangsphase
eingeführt. Während dieser Phasen gilt die beschrieben
Entgeltsicherung, wie im Übrigen auch im DemografieTV
festgeschrieben. Dieser kennt lediglich die Entscheidungsphase
und die Übergangsphase (noch) nicht.
Fazit:
Aus dem umfangreichen, von der GDL-Basis durch entsprechende
Beschlüsse geschnürten Forderungspaket ist lediglich ein
einziger Punkt, nämlich jener, der dem nun ausgehandelten
Tarifvertrag seinen Namen „Bedingungen der Beschäftigungssicherung
bei Verlust der Fahrdiensttauglichkeit“ verliehen hat,
annähernd umgesetzt worden. Den Anspruch an einen „Zukunfts-TV“
kann dieses Vertragswerk demnach bei Weitem nicht erfüllen.
Allein schon deswegen, weil der vorliegende Tarifvertrag keinerlei
Schutzbestimmungen zur Beschäftigungssicherung etwa bei
Leistungseinschränkungen, Rationalisierungen,
Ausschreibungsverlusten oder sonstigen Betreiberwechseln
vorsieht. Risiken, denen nahezu jeder Lokomotivführer im
DB-Konzern ausgesetzt ist. Doch scheint die GDL-Führung derartige
Schutzbestimmungen weitaus weniger gewichtig eingestuft zu haben, als
ein rein monetärer Ausgleich bei nachgewiesener dauerhafter
Fahrdienstuntauglichkeit. Und das, obwohl von den fehlenden
Schutzregeln erheblich mehr Mitglieder betroffen sind, als von einer
Fahrdienstuntauglichkeit aufgrund traumatischer Ereignisse.
Zu
dieser Thematik heißt es ganz lapidar in dem erwähnten
Rundschreiben des GDL-Bundesvorsitzenden vom 24.03.2014, dass
für „diese Fälle weiterhin die Regelungen in den §§ 12, 22,
37, 45.5, 61 LfTV gelten.“ Ein Blick in eine dieser
Tarifstellen zeigt die katastrophalen Auswirkungen dieses Satzes
§
12 LfTV Arbeitsbedingungen (auszugsweise):
„Der
Arbeitnehmer hat bei Vorliegen betrieblicher Erfordernisse jede ihm
übertragene Tätigkeit – auch an einem anderen Arbeitsort und
in einem anderen Betrieb – des jeweiligen Arbeitgebers
auszuüben, (…)
„Zur
Beschäftigungssicherung kann der Arbeitnehmer auch ohne seine
Zustimmung im Rahmen der Bestimmungen des AÜG ohne Änderung
des Arbeitsvertrags einem anderen Arbeitgeber zur
Arbeitsleistung zugewiesen werden. (…)
Der
Tarifabschluss enthält des weiteren keinerlei Regelungen zu den
ursprünglichen Forderungen für eine lebensphasenorientierte
Berufsentwicklung und sozialadäquate Gestaltung der
Übergänge in neue Abschnitte des Berufslebens einschließlich auf
die speziellen beruflichen Bedingungen zugeschnittener, alters-
und/oder gesundheitlicher Ausstiegsoptionen, inklusive
Teilzeit im Alter und einer verbesserten betrieblichen
Altersversorgung. Ebenso mangelt es an einer Regelung zum
JobTicket bzw. zum langjährig geforderten Fahrtkostenzuschuss
für Lokomotivführer, die ein JobTicket nicht nutzen können. Auch
die Schaffung tariflicher Grundlagen für die Weiterentwicklung
von Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltungen, die sich an
Arbeitsmedizin und Prävention orientieren sowie die Förderung
persönlicher Präventionsmaßnahmen sind ebenso wenig
enthalten, wie die Schaffung tariflicher Grundsätze für eine
bedarfsgerechte Personalpolitik einschließlich der dazu gehörenden
Berufsausbildung und weiterer Qualifizierungsregeln, etwa zur
Förderung der Beschäftigungsfähigkeit.
Das
miserable Ergebnis des nun vorliegenden Tarifvertrages, durch die
GDL-Führung selbstherrlich mit dem Slogan „Beharrlichkeit
hat sich ausgezahlt“ untermalt, stellt in Wirklichkeit
eine eindeutige wie zwanghafte Folge des vom GDL-Bundesvorsitzenden
sowie der Mehrheit des GDL-Hauptvorstandes zu verantwortenden
Verlustes von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit innerhalb der
GDL dar.
Man
darf nun darauf gespannt sein, mit welchem Stimmergebnis die
Tarifkommission der GDL ihr Votum zu dem Vertragsentwurf abgeben
wird. Weitaus interessanter ist jedoch die Frage, wie die
Lokomotivführer den Tarifabschluss bewerten werden. Nicht nur jene,
welche unter die wenigen vereinbarten Regelungen fallen werden,
sondern insbesondere jene überwiegende Anzahl von Kolleginnen
und Kollegen, die vergeblich auf eine zumindest teilweise Umsetzung
des von ihnen selbst mit formulierten umfangreichen
Forderungspaketes zu einem wirksamen Zukunft-Tarifvertrages
gehofft haben. [
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